Die Magie des Gleichgewichts: Herbst- Tagundnachtgleiche
Die Herbst-Tagundnachtgleiche ist ein magischer Moment im Jahreskreis. Das ewige Kräftemessen von...
An die heilige Nacht habe ich ganz wundervolle Kindheitserinnerungen. Sie haben nichts mit Geschenken oder leckerem Essen zu tun, sondern mit der Natur – und dem wahren Zauber dieser Zeit.
An Heiligabend ging es bei uns in den Wald. Nicht in die Kirche. Für meinen Vater war das Heilige da draußen in den Wäldern zu finden, die direkt hinter unserem Haus anfingen – und so ging er, sobald es dämmerte, an Heiligabend in unsere Garage und befüllte altertümliche Petroleum-Lampen.
Für jedes Kind eine.
Gegen Ende der Dämmerung, im letzten schummrigen Licht des heiligen Abends, ging es dann los, aus dem wohlig warmen Haus hinaus in die dunkle, kalte, aber eben auch sehr sehr besondere Nacht. Wir waren kleine, tanzende Lichtpunkte, verschluckt von der Tiefe und Schwärze der Wälder.
Für mich als Kind war das aufregend. Und ein bisschen gruselig, denn der Wald war dunkel. Sehr dunkel. Das Licht der Petroleum-Lampe erhellte immer nur einen kleinen Bereich um mich herum, vielleicht einen halben Meter. Dahinter war es schwarz und voller Geheimnisse.
Die ganze Welt schien in einen wundervollen Zauber getaucht. Den Zauber des Neubeginns.
Damals war es mir natürlich nicht bewusst, aber heute kann ich sehr gut verstehen, was unsere Vorfahren in dieser dunklen und kalten Jahreszeit am meisten bewegt haben muss: die Rückkehr des Lichtes, den Wendepunkt der Sonne.
Die Rückkehr des Lichts
In unserer künstlich erhellten Welt lässt sich kaum noch erahnen, wie ungeheuer wichtig es für die Menschen vor uns gewesen sein muss, dass die Sonne in diesen Nächten wieder geboren wurde! Vor allem je weiter nach Norden
man kommt und je dunkler und länger die Nächte sind.
Was nicht da ist, muss zurückgeholt werden. Und so zelebrierten und feierten die Menschen über Jahrtausende das für sie wichtigste Naturereignis, ein kosmologisches Phänomen: die Wintersonnenwende am 21. (manchmal auch am 22.) Dezember.
Unzählige archäologischen Funde erzählen uns heute noch davon:
Das spektakuläre Stonehenge in England etwa (3000 v.Chr.) ist ein Sonnen-Observatorium. Zur Wintersonnenwende
fällt das Licht der aufgehenden Sonne dort auf einen besonderen Stein. Das muss ein sehr besonderes Ereignis für die Menschen gewesen sein, denn nach Stonehenge reisten die Menschen zum Teil hunderte Kilometer mit Sack und Pack und Schweinen und Ziegen, um an den tagelangen Feiern teilnehmen zu können. Und das mitten im eisigen Winter.
Auch in Deutschland finden wir Hinweise auf einen Jahrtausende lang abgehaltenen Sonnenkult.
Wohl am bekanntesten ist die Himmelsscheibe von Nebra (ca. 3800 Jahre alt), einer der atemberaubendsten archäologischen Funde Deutschlands. Sie wurde auf dem Mittelberg im heutigen Sachsen-Anhalt gefunden.
Richtet man sie vor dort aus zum Brocken im Harz aus, zeigt sie ebenfalls die Wintersonnenwende an.
Und in Pömmelte in Sachsen-Anhalt haben wir ein “Woodhenge”, ein Stonehenge aus Holz, das Ringheiligtum Pömmelte, das wieder aufgebaut wurde, ein Sonnenobservatorium und Kultplatz, an dem sich vor 4000 Jahren die Menschen aus der Gegend versammelten, um ihre Feste zu feiern. Das Fest der Widergeburt des Lichts.
(Ich werde über Pömmelte und die Himmelsscheibe im Januar in einem gesonderten Blogbeitrag berichten)
Allesamt Zeugnisse einer uralten Naturspiritualität.
Die heilige Nacht – heidnische Ursprünge
Das Wort “weihen” bedeutet im germanischen Ursprung: heilig. Was geweiht ist, ist heilig. Der heilige Hain war ein geweihter Hain.
Die Weihnacht ist also per se die heilige Nacht. Auch die Tatsache, dass es eine Nacht ist – und kein Tag – zeigt, dass
es weit in die vorchristliche Zeit zurück geht, denn die unsere Vorfahren zählten in Nächten, und nicht in Tagen.
Wie wurde gefeiert
Schon die Zeit vor der Wintersonnenwende war für unsere Vorfahren sehr besonders. Vom 8. – 20. Dezember sind die sogenannten Sperrnächte:
die Bauern sperrten ihre Werkzeuge in die Scheune und legten somit die Arbeit nieder. Es ist eine Zeit, in der Beschäftigungen ruhen dürfen.
Ist das nicht wunderbar? Und sollten wir uns da nicht eine Scheibe abschneiden? Stell dir nur einmal kurz vor, wie es wäre, wenn wir alle nicht im Weihnachtsstress wären, sondern es wie die Natur machen würden: uns zurückziehen, unsere Kräfte erneuern. Uns auf das Wesentliche besinnen.
Uns feiern. Die Natur feiern. Ruhen. Familie und Freunde treffen. In den Wäldern auftanken.
Die heiligen Nächte rund um die Sonnenwende
In der nordischen Mythologie gibt den schönen Begriff: Julfest. Snorri Sturlusson berichtet davon in seiner Edda. Es ist sozusagen das ursprüngliche nordische Weihnachtsfest und wurde drei Nächte lang rund um die Sonnenwende gefeiert. “Jul” ist ein sehr altes germanisches Wort, das sich aus dem indogermanischen “Hjol” ableiten könnte: Rad. Vielleicht ist das Sonnenrad gemeint, das mit seinen vier Speichen den Jahreszyklus abbildet.
Geburt, Werden, Vergehen und Sterben und dann Wiedergeburt, dieser ewige Kreislauf ist eines der stärksten Motive der nordischen Mythologie. Selbst in Zeiten der größten Dunkelheit können wir darauf zählen, dass das Licht zurückkehrt. Dass es wiedergeboren wird. Das Julfest ist die Geschichte vom Licht, das unzerstörbar ist.
Den Quellen nach wurde das Julfest
Der besondere Zauber der dunklen Jahreszeit:
In der dunkelsten Zeit des Jahres, so sagt man, ist der die Schleier zwischen dem Diesseits und dem Jenseits ganz dünn.
Die wilde Jagd
Um den Mythos der Wilden Jagd ranken sich viele Geheimnisse. Es ist der stärkste Mythos dieser besonderen Zeit, in vielen Teilen Europas bekannt, vor allem aber natürlich im Norden. Tosende und brausende Winterstürme wurden hier personalisiert und in eine johlende Geisterschar verwandelt, in der nicht nur Menschen, sondern auch du vor allem Tiere mitliefen, vor allem Hunde und Pferde, Wölfe und Schweine. Überall hatt die Wilde Jagd einen Anführer, in der germanischen Mythologie war das meist Wotan/ Odin, der Schamanengott.
Auch hier geht es vor allen in den alten Versionen um die Wiederkehr des Lichts und Odin nimmt als Anführer der Jagd eine Schlüsselrolle ein. Hier eine der vielen Geschichten dazu:
Darin verschwindet ein Hirsch mit der Sonne zwischen seinem Geweih im Winter in die Unterwelt, so dass es dunkel ist auf der Welt. In den dunklen Winternächten reitet das Wilde Heer in der Wilden Jagd über den Himmel (kann man sich ja bei wilden Winterstürmen sehr gut vorstellen), um den Hirsch wieder aus der Unterwelt nach oben zu holen, damit die Tage wieder länger werden (zum Glück hat das bis heute immer geklappt!) Die Wilde Jagd findet vor allem in den Rauhnächten nach der Wintersonnenwende statt. In dieser Zeit sind die Schleier zu den Anderswelten besonders dünn,
so dass die Menschen leicht Kontakt mit den Toten aufnehmen können. Auch das ist eine überlieferte Intention des Wilden Heeres, denn dort reiten neben Odin und Frigg, seiner Frau, auch die Verstorbenen, die Geister mit.
(Es gibt auch Überlieferungen, in denen eine Göttin das Heer anführt – Hulda oder Frau Holle, die dann später zur Figur der „Frau von Odin“
geworden ist.)
Mit seinem wilden Heer, der wilden Jagd, brauste er in den 12 heiligen Nächten, den Raunächten, zwischen dem 24. Dezember und dem 06. Januar durch die Lüfte und besucht die Gehöfte, die ihn eingeladen haben. Diesen brachte er Gesundheit, Wohlstand und Fruchtbarkeit. Ab dem Mittelalter hatte es die Kirche geschafft, diese mythologischen Vorstellungen, die in einem heidnischen Kontext existierten, zu verdrehen. Fortan sollten sich die Menschen schützen vor Wotan und seinem wilden Heer!
Grundsätzlich war das Wilde Heer den Menschen gegenüber milde gesonnen, vor allem denen, die ein Licht rausstellten oder kleine Aufmerksamkeiten wie Gebäck oder ein Schälchen Milch. Denen brachte es Gesundheit und Glück.
Nur Wäsche aufhängen sollte man besser nicht, wenn die Wilde Jagd unterwegs war, damit sie sich darin nicht verhedderte. Und die Türen von Haus und Hof hält man auch besser geschlossen, denn sollte die Geisterschar dort hindurch fegen, könnte es sein, dass sie den ein oder anderen Lebenden mitnehmen.
In einer Sage stellen die Menschen Stiefel auf, die Odin als Dank mit Blut befüllt – das sich bis zum nächsten Morgen
in Gold und Silber verwandelt.
Je weiter die Christianisierung fortschritt, desto grausamer wurde das Wilde Heer geschildert und desto mehr fürchteten die Menschen sich davor.
Falls du also in den kommenden Winternächten unterwegs sein solltest und ein Heulen und Johlen am Himmel hörst, ein Brausen und Toben, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass du Zeuge der wilden Jagd wirst.
Jüngeren Überlieferungen nach sollte man sich dann besser auf den Boden werfen, denn wer sie anschaut, erblindet,
und wer sie berührt, stirbt oder verbrennt sich zumindest.
Vielleicht machst du dir aber auch selbst ein Bild und wirst feststellen, dass sie so gruselig gar nicht ist.
Ich selbst jedenfalls werde die Augen offen halten.
In diesem Sinne ein wunderschönes Fest wünscht
Nicole
Das war ja mal richtig interessant, wirklich schöner Artikel.