Die Magie des Gleichgewichts: Herbst- Tagundnachtgleiche
Die Herbst-Tagundnachtgleiche ist ein magischer Moment im Jahreskreis. Das ewige Kräftemessen von...
Ich sitze im Café unter freiem Himmel. Hinter mir sitzen und unterhalten sich zwei Frauen. Eine von beiden scheint sehr verzweifelt zu sein. Sie ist bemüht, ihre Nervosität und Anspannung unter Kontrolle zu halten, doch immer wieder höre ich einen Schluchzer. Sie kann kaum mehr als zwei Sätze kontrolliert sprechen, dann brechen die Emotionen unkontrolliert aus ihr heraus. Ich verstehe nicht viel von dem, was sie sagt, aber was ich verstehe, ist dieser Satz: „Ich bin doch eine intelligente Frau, aber emotional fühle ich mich wie ein Kleinkind.“ Intelligent – aber emotional unterentwickelt? Im Denken gebildet, aber im Fühlen offenbar ungebildet.
Was bedeutet intelligent eigentlich? Dem landläufigen Verständnis nach ist ein Mensch, der einen IQ von 120 hat, intelligenter als Mensch mit einem IQ von 100. Ist also ein Mensch, der, um auszurechnen, wieviel 137 x 8 ist, eine Minute länger braucht als jemand anders, deshalb weniger intelligent als der Schnellrechner? Nach Daniel Goleman, ehemaliger Professor für klinische Psychologie in Harvard, ist diese Definition nicht nur einseitig, sondern falsch. Er verdeutlicht das in seinem Buch „EQ – Emotionale Intelligenz“ an zwei Beispielen. Zum einen berichtet er von einem schwarzen Busfahrer in New York in mittlerem Alter, der jedem Fahrgast mit einem strahlenden Lächeln beim Einsteigen ein freundliches „Hey, wie geht’s?“ zuruft. Kaum einer gab jedoch beim Einsteigen den Gruß zurück. „Doch während der Bus sich durch die Straßen vorwärtsschob, vollzog sich eine allmähliche, ganz wundersame Verwandlung.
Der Fahrer lieferte uns einen ständigen Monolog, einen anregenden Kommentar zu dem Geschehen, das an uns vorbeiglitt: In dem Geschäft da kauft man ungeheuer günstig, in dem Museum ist eine wundervolle Ausstellung zu sehen, haben Sie schon von dem neuen Film gehört, der in dem Kino da drüben gerade angelaufen ist? Die vielfältigen Möglichkeiten, die die Stadt bietet, entzückten ihn, und das war ansteckend. Als es ans Aussteigen ging, hatten alle ihre mürrische Schale abgeworfen, und wenn der Fahrer ihnen „Byebye, viel Spaß heute!“ zurief, lächelten sie zurück.“ Ein ähnliches Beispiel für dieses Phänomen ist meine Tochter Marlene. Sie hat vor Kurzem gelernt „Hallo“ zu sagen und dazu zu winken. Voller Freude sagt sie dies nun zu jedem zweiten Menschen, der ihr entgegenkommt, und winkt dazu. Fast jeder lächelt zurück und winkt, hat seine Sorgen vergessen und fühlt sich erheitert und begeistert.
In einem entgegengesetzten Beispiel berichtet Goleman von einem hochintelligenten Schüler, der es gewohnt ist, ausnahmslos Einsen zu schreiben. Nach einem Lehrerwechsel gibt ihm ein neuer Lehrer eine Zwei. Voller Zorn stellt der Schüler nach Schulschluss den Lehrer zur Rede, zückt ein Messer und verletzt diesen schwer.
Welche Art von Intelligenz ist diesen Beispielen jeweils am Werk? Vermutlich würde der „hochbegabte“ Schüler in einem Intelligenztest weitaus besser abschneiden als der Busfahrer aus New York. Dennoch können wir davon ausgehen, dass der Busfahrer der glücklichere und vielleicht auch erfolgreichere von beiden ist. Die herkömmliche Definition von Intelligenz im Sinne von logischem, rationalem Denkvermögen ist offenbar unzureichend und bildet nur einen Teil unserer wirklichen Intelligenz ab: das Denken. Die andere Kompetenz, die unsere Intelligenz ausmacht, ist laut Goleman das Fühlen: die emotionale Intelligenz. Ebenso wie einen IQ besitzt nach Goleman jeder Mensch auch einen EQ, einen emotionalen Intelligenzquotienten. Und dieser EQ ist Goleman zufolge weitaus wichtiger für ein glückliches und erfolgreiches Leben als ein hoher IQ. Goleman behauptet 80% von Glück wie auch Erfolg im Leben mache die Entwicklung der emotionalen Intelligenz aus und nur 20% die Entwicklung der rationalen Intelligenz.
Es ist nicht schwer zu raten, welche Methode Goleman empfiehlt, um seinen EQ zu steigern: Achtsamkeit und Meditation.
Eine besonders wirksame Methode, um seine emotionale Intelligenz zu steigern, ist die buddhistische Meditation des universellen Mitgefühls, genannt Metta-Meditation. ZumEinstieg kannst du heute folgendes ausprobieren: Geh auf die Straße und suche dir einen fremden Menschen aus. Sage nun innerlich beim Einatmen “Ich wünsche, dass es dir gutgeht.” Und beim Ausatmen: “Mögest du befreit werden vom Leiden.”
Buchtipp: Daniel Goleman: EQ – Emotionale Intelligenz. DTV 2001.